Katrin Bärtschi ist Briefträgerin in Bern und Gewerkschafterin.
Neulich wandte die Briefträgerin sich an die Beschwerdestelle der Kantonspolizei, um den Zorn abzuschütteln, der sie im «Bundesempfangszentrum» für Asylsuchende (BAZ) befallen hatte.
SPRÜCHE. Wegen einer Unterschrift musste die Briefträgerin im BAZ auf den Rechtsdienst warten. Vor dem Schalter hatten sich zwei Polizisten, eine Polizistin und drei Securitas-Leute breitbeinig aufgepflanzt, anscheinend, um jemanden abzuholen (sechs gegen einen …). Einer der Polizisten sonderte unerträgliche Sprüche ab: «Wir nehmen sie grad alle mit, füllen das Auto, wenn wir schon da sind.» «Ah, ds Karlsruhe isch er oscho ga Bittibätti mache.» Irgendwann platzte der Briefträgerin der Kragen, und sie wies darauf hin, dass diese Sprüche an Rassismus grenzten. Endlich schwieg der Polizist, die Briefträgerin wurde vom Rechtsdienst erlöst und konnte den Tatort verlassen. Aber eben, der Zorn …
Der Beschuldigte ist unschuldig, weil er sagt, dass er unschuldig sei.
DIE ÜBERRASCHUNG. Die Beschwerdeantwort machte dann deutlich, dass die Briefträgerin alles falsch verstanden hatte. In Wahrheit war der Beamte hilfsbereit gewesen und hatte sein Fahrzeug grosszügig für allfällige weitere Personentransporte angeboten. Und menschlich interessiert war er ebenfalls: «Ah, der Mann hat auch schon in Deutschland Asyl beantragt.» Die Anzahl Sicherheitsleute habe sich zufällig ergeben. Auch habe der Polizist jede rassistische Äusserung bestritten, der laute Kommentar aus dem Hintergrund habe ihn überrascht. Der stellvertretende Kommandant distanzierte sich von jeglichen allfällig rassistischen Äusserungen von Mitarbeitenden und wies auf Weiterbildungen zum Thema interkulturelle Kompetenzen hin.
Und kommt dann zu folgendem Schluss: «Gestützt auf die Stellungnahme unseres Mitarbeitenden können wir kein Fehlverhalten feststellen.» An dieser Antwort überraschte die Briefträgerin einzig die Begründung: Der Beschuldigte ist unschuldig, weil er sagt, dass er unschuldig sei …